Seit 20 Jahren sind Helgard Haug, Stefan Kägi und Daniel Wetzel im deutschsprachigen Kulturraum aktiv mit politischen Performances. Und das sehr erfolgreich. Sie wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet und mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nun zeigt das Kunstmuseum Solothurn diese Theaterarbeiten erstmals in einer Ausstellung. Es beginnt gleich heftig im «Situation Rooms»: Wir nehmen in Split-Screen-Videos teil an den Erzählungen von Menschen, in deren Biografie Waffen eine wichtige Rolle spielen, auf unterschiedlichste Art. Die Welt-Klimakonferenz von 2015 in Paris wurde von Rimini Protokoll schon im Voraus als Bühnenstück am Hamburger Schauspielhaus inszeniert. Die Zuschauer:innen im Theater sind die Teilnehmer:innen aus 196 Ländern. 196 Booklets erläutern die Positionen der vertretenen Länder. Das Video zeigt die Uraufführung in Hamburg. Eine Action aus dem Jahr 2009 können wir auch per Video anschauen: Die Hauptversammlung der Daimler AG, zu der Rimini Protokoll etwa 100 der 8’000 Aktionär:innen eingeschleust hat und ihnen ermöglichte, einer Live-Wirtschafts-Inszenierung beizuwohnen. Mir ist der kleine Raum «Feast of Food» besonders eingefahren. An den Wänden einige Werke des Kunstmuseums, auf denen Agrarszenen früherer Jahrhunderte dargestellt sind. Auf dem Tisch Virtual-Reality-Brillen, mit denen wir Einblicke bekommen in die moderne Nahrungsmittel-Grossproduktion. Wir wissen es eigentlich – und sind dann doch entsetzt. Wunderschön hingegen das «Solo für einen Oktopus». Ein Oktopus vom Fischmarkt wurde von Rimini Protokoll in ein 1’300-Liter-Wasserbecken auf die Bühne des Lausanner Theaters gezügelt und wurde dort Teil einer Performance. Und zum Schluss 100% Solothurn: In verschiedenen Städten rund um die Welt fand diese Inszenierung schon statt. 100 Einwohner:innen, die der demografischen Statistik ihrer Stadt entsprechen, stellten sich gegenseitig Fragen und mussten dann Stellung beziehen mit «ich» oder eben «ich nicht». Die Fragen ziehen sich durch das ganze menschliche Leben: Wer möchte weg von hier? Wer möchte Stadtpräsident:in sein? Wer hat eine andere Erstsprache? Wer ist schwanger? Alle 100 Beteiligten brachten einen persönlichen Gegenstand mit ins Museum – auch das 100% authentisch. Die Auswertung ist in einer Publikation erschienen. Eine total anregende Ausstellung zu aktuellen, gesellschaftspolitischen Themen unserer Gegenwart. (Bis 30. April 2023)