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Muzeum Susch – grossartig in jeder Hinsicht

Endlich haben wir es geschafft, die Reise ins Unterengadin ins Muzeum Susch, in einem ehemaligen Kloster aus dem 12 Jahrhundert, resp. in der dazugehörigen Brauerei. Die (schwerreiche) polnische Unternehmerin Grazina Kulczyk hat sich einen Traum verwirklicht: Vor allem weibliche Kunstschaffende verschiedenster Epochen sollen hier Raum erhalten und ihr Werk zum Heute oder anderen Künstlerinnen in Bezug gesetzt werden. Von aussen zwei sehr seriös renovierte, sehr stattliche Gebäude im Zentrum des Dorfes. Innen dann eine architektonisch-künstlerische Sensation nach der andern. Die beiden Gebäude sind unterirdisch verbunden, auf vier Stockwerken sind permanente Installationen und Wechselausstellungen zu sehen. Ich kann nur ein paar wenige Positionen erwähnen, die Vielfalt ist gewaltig. Nahe dem Eingang ein Gewölbe mit 12 kopflosen Figuren aus Sackleinen, geschaffen von der Polin Izabella Gustowska, schon hier verbinden sich Installation und Raum zu einer berückenden Präsenz. Die Schweizerin Sara Masüger hat unter der Eingangshalle durch einen engen Tunnel gebohrt, der am andern Ende den Blick zum nahen Fluss freigibt. Im zweiten Gebäude reckt sich eine 14 Meter hohe Stahlkonstruktion von Monika Sosnowska, eine verdrehte, dekonstruierte Treppe, durch alle Stockwerke des früheren Kühlturms der Brauerei nach oben (wir erinnern uns sofort an die gewaltig-leichte Eisenkonstruktion, mit der Sosnowska 2007 Polen in Venedig vertrat). Und Heidi Bucher mit ihrem «Herrenzimmer»: Mit Latexhäuten hat sie Wände in ihrem Elternhaus «abgezogen», eine gleichzeitig zerbrechliche und sehr kraftvolle Installation. In einer Felsgrotte, dem ehemaligen Kühllager des Klosters, dreht sich langsam ein glänzender Edelstahlzylinder von Miroslaw Balka, Stein und Mensch spiegeln sich darin. Die verspielt glänzende Installation «Café Bar» von Paulina Olowska ist eine Referenz an ein Museumscafé in Krakau.

Die temporäre Ausstellung (bis Ende Juni 2020) ist der Amerikanerin Carolee Schneemann (1939-2019) gewidmet und ihr Werk wird konfrontiert mit Positionen zeitgenössischer Künstlerinnen. Schneemann, völlig zu Unrecht in Europa kaum bekannt, hat sich schon früh mit der Darstellung des weiblichen Körpers, der Sexualität der Frau aus deren Sicht, beschäftigt. Oft arbeitet sie, malend, filmend, mit ihrem eigenen, nackten Körper – ihrer Zeit weit voraus, ähnlich wie die bei uns berühmten Valie Export oder Nan Goldin. Die Ausstellung will mit der Gegenüberstellung von Schneemanns Werken mit jüngeren Künstlerinnen «überprüfen, wie wir heute mit neuen Erscheinungsformen und Inhalten von Kunst, mit Bildern von Nacktheit und Sexualität insbesondere des weiblichen Körpers umgehen, während letztere im öffentlichen Medienraum bereits omnipräsent sind.» Besonders beeindruckt hat uns die Dänin Mette Ingvartsen mit herausfordernden Videoarbeiten zum Thema Sexualität und Öffentlichkeit, mit einer völlig überraschenden Verbindung zwischen Intimität, sexuellen Positionen und sachlich interessierten Zuschauenden. Und, und, und... das Muzeum Susch ist jedenfalls eine Reise wert, und dank dem Vereinatunnel ist diese gar nicht mehr so arg lang!



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